Durchschnittliche Lebenserwartung von Männern

Der Mann, das paradoxe Wesen?

Von Nadine Effert · 2023

Männer haben im Durchschnitt eine kürzere Lebenserwartung als Frauen und sind anfälliger für bestimmte gesundheitliche Probleme. Woran liegt das? Und ist man(n) diesem geschlechterspezifischen Unterschied wehrlos ausgesetzt?

Ein junger Mann lässt sich von einer Ärztin untersuchen
Nur durch regelmäßige Check-ups lassen sich Krankheiten früh erkennen. Foto: iStock / nortonrsx

Eine simple Erkältung kann Männer zur Verzweiflung bringen, aber vor richtigen, tatsächlich lebensbedrohlichen Krankheiten fühlen sie sich offenbar sicher und wundern sich anscheinend auch nicht darüber, dass sie allgemein kürzer auf der Erde verweilen als Frauen. Dabei ist diese Tatsache Fakt und weitestgehend bekannt. Männer sterben laut Statistischem Bundesamt im Schnitt etwa fünf Jahre früher.

Mutation mit Folgen

Ein möglicher Grund: das Y-Chromosom. Dieses Geschlechtschromosom kann im Laufe eines Lebens bei der Zellteilung in Teilen der Stammzellen verloren gehen. 40 Prozent der über 70-Jährigen haben nicht mehr in allen Blutzellen ein Y-Chromosom, mit steigendem Alter wird der Anteil noch höher. Die Folge dieser Mutation: Untersuchungen haben gezeigt, dass, statistisch betrachtet, das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Alzheimer oder auch Diabetes mellitus steigt. Der aktuelle Herzbericht der Deutschen Herzstiftung belegt, dass Männer deutlich häufiger von Herzkrankheiten betroffen sind als Frauen. Beispiel koronare Herzkrankheit: Mit 865,6 Fällen pro 100.000 Einwohner trifft sie Männer mehr als doppelt so oft wie Frauen. Beim Herzinfarkt verhält es sich ebenso. Doch welcher Abschnitt des Y-Chromosoms genau wofür verantwortlich ist und warum nicht jeder Mann vom Verlust betroffen ist, das ist noch nicht geklärt. Rauchen etwa steht im Verdacht, einen Einfluss zu haben. Da es noch keine Therapie gegen diese altersbedingte Genmutation gibt, raten Fachleute Männern ohnehin dazu, beeinflussbare Risikofaktoren zu vermeiden.

Durchschnittliche Lebenserwartung von Männern steigern

Genauso geläufig wie die niedrigere Lebenserwartung von Männern ist nämlich die Tatsache, dass ein gesunder Lebensstil dazu beitragen kann, dass man länger gesund bleibt und sich somit über mehr Lebensjahre freuen kann. Und das kann ein Plus von mehr als 20 Jahren bedeuten, so das erstaunliche Ergebnis einer US-Studie von der University of Illinois, die im Juli 2023 erschienen ist. Männer profitieren dabei sogar noch mehr von einer gesunden Lebensweise. Das Team um die Forscherin Xuan-Mai Nguyen hat dazu Daten von über 700.000 US-Veteraninnen und -Veteranen im Alter von 40 bis 99 Jahren analysiert. Diese stammen aus einem nationalen Forschungsprogramm der USA, das untersucht, wie sich Gene, Lebensstil und militärische Erfahrungen auf die Gesundheit ehemaliger Militärangehöriger auswirken. Das Ergebnis: 40-jährige Männer können mit einem gesunden Lebensstil im Durchschnitt 23,7 Jahre länger leben als mit einem sehr schädlichen, Frauen 22,6 Jahre. Was bedeutet in diesem Fall „gesund“? Das Wissenschaftlerteam nennt acht entscheidende Faktoren: körperliche Aktivität, guter Umgang mit Stress, eine ausgewogene Ernährung, gute Schlafqualität, positive soziale Kontakte, kein Tabakkonsum, wenig Alkohol und keine Abhängigkeit von Opioid-Schmerzmitteln. Die Forschungsleiterin weist darauf hin, dass sich neue Gewohnheiten auch im Alter und selbst die Einführung von einem, zwei oder drei Lebensstilfaktoren lohnen und die Lebenserwartung steigern.

Krebsrisiko senken

Einen großen Einfluss auf das Krebsrisiko haben auch genannte Faktoren, allen voran das Rauchen: Fast jeder zweite Krebs-Todesfall geht auf ihr Konto, brachte eine groß angelegte Studie, die im August 2022 in der Fachzeitschrift „The Lancet“ erschienen ist, zutage. Ein weiteres Resultat der Datenanalyse ergab, dass Männer deutlich gefährdeter sind als Frauen, durch äußere Risikofaktoren an Krebs zu sterben: Diese sind bei ihnen an mehr als der Hälfte aller krebsbedingten Todesfälle beteiligt (50,6 Prozent). Bei Frauen waren dagegen nur etwas über ein Drittel dieser Sterbefälle auf solche Ursachen zurückzuführen (36,3 Prozent). Eine andere Studie des National Cancer Institute in den USA hat herausgefunden, dass 19 der 21 untersuchten Krebsarten häufiger bei Männern vorkamen, teilweise zehnmal häufiger als bei Frauen – beispielweise Speiseröhren- und Kehlkopfkrebs. Grundsätzlich erkranken Männer am zahlreichsten an Prostata-, Darm- und Lungenkrebs. Neben dem Lebensstil vermuten die Forschenden ebenso biologische Unterschiede zwischen Mann und Frau als (Mit-)Ursache. Wichtig im Kampf gegen Krebs sind gesundheitliche Präventionsmaßnahmen und die Krebsfrüherkennung. Denn je früher ein Tumor entdeckt wird, desto besser sind in der Regel die Chancen auf Heilung.

Früherkennung ist das A und O

Ob Diabetes Typ 2, Herzprobleme oder Depression: Die Früherkennung und eine zeitige Behandlung sind aber nicht nur im Fall von Krebs von entscheidender Bedeutung. Regelmäßige Check-up-Untersuchungen, bei denen zum Beispiel der Cholesterinwert bestimmt wird, und das Aufsuchen einer Arztpraxis bei anhaltenden Beschwerden sollten auf der eigenen Gesundheitsagenda stehen – doch damit tut sich das männliche Geschlecht oft schwer. So neigen Männer dazu, psychische Probleme zu verbergen, und zögern oft, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Verheerend: Zwar erhalten Männer die Diagnose Depression nur halb so oft wie Frauen, allerdings ist die Suizidrate bei ihnen mindestens dreimal so hoch. Laut der Studie einer großen Krankenkasse geht nur jeder neunte Mann zur Prostatakrebsvorsorge. In der Hauptrisikogruppe zwischen 55 und 70 Jahren gehen nur sieben Prozent zur Darmspiegelung, bei den Frauen sind es immerhin zehn Prozent. Auch tendieren insbesondere Männer vermehrt dazu, ihre Leiden zu verschweigen. Der Grund ist das noch immer in unserer Wertegesellschaft herrschende Bild vom „starken Geschlecht“. Sprich: „Nur ein gesunder Mann ist ein ganzer Mann.“

Daher gilt das männliche Geschlecht allgemein auch eher als Vorsorgemuffel, das lieber Reparaturmedizin betreibt. Nachlässigkeit ist, was die eigene Gesundheit anbelangt, die falsche Einstellung. Daher gilt: Nicht erst in die Arztpraxis, wenn’s richtig wehtut, sondern Beschwerden zeitnah abklären lassen und regelmäßig zu Kontrolluntersuchungen gehen.

Grafik: Psychische Erkrankungen 2012 bis 2022
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