Potenzstörung

Das Schweigen brechen

Von Mark Krüger · 2023

Viele Männer sind gehemmt, aufgrund ihrer Erektionsstörung eine Praxis aufzusuchen. Schamgefühle sind jedoch fehl am Platz – weil auf Sexualmedizin spezialisierte Fachleute alltäglich mit Betroffenen zu tun haben und ihnen geholfen werden kann. Für die Behandlung einer sogenannten erektilen Dysfunktion stehen heute sehr viele moderne Alternativen zur Verfügung. Man(n) muss nur darüber reden.

Ein Mann sitzt auf der Bettkante und schaut unglücklich aus.
Bei Vorliegen einer erektilen Dysfunktion leidet nicht nur der betroffene Mann, sondern auch die Partnerschaft. Foto: iStock / stefanamer

Die sexuelle Erregung ist da, doch unter der Gürtellinie tut sich nichts? Eine für Männer äußerst unangenehme Situation. Dass eine Erektion ausbleibt, kann jedem mal passieren. Schließlich ist das Zustandekommen einer Erektion ein komplexes Zusammenspiel von Nerven- und Gefäßsystem, das zudem von den männlichen Geschlechtshormonen beeinflusst wird.

Potenzstörung: Millionen Betroffene

Wenn es allerdings über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten nicht möglich ist, eine für einen befriedigenden Geschlechtsverkehr ausreichende Erektion des Penis zu erreichen und aufrechtzuerhalten, spricht der Mediziner von einer erektilen Dysfunktion, kurz ED. Die umgangssprachlich auch als Impotenz bezeichnete Funktionsstörung kommt häufiger vor als gedacht: Etwa jeder fünfte Mann ist davon betroffen. Insgesamt wird die Zahl hierzulande auf vier bis sechs Millionen geschätzt, wobei die Häufigkeit mit dem Alter zunimmt. Und: Die mangelnde Versteifungsfähigkeit des Penis ist keine Schwäche, sondern ein Krankheitsbild.

Vielerlei Ursachen

Die Ursachen sind sehr vielfältig. Fachleute gehen davon aus, dass etwa die Hälfte der Erektionsstörungen eine rein organische Ursache haben – am häufigsten in Form einer Begleiterscheinung von beispielsweise Diabetes mellitus, Bluthochdruck oder urogenitalen Fehlbildungen. Bei den über 50-Jährigen geht man sogar von 80 Prozent aus. Psychische Ursachen können eine Erektionsstörung begünstigen, wobei bei nur etwa einem Drittel der Betroffenen rein psychogene Ursachen vorliegen.

Auch wenn es paradox klingen mag: Pornos können für eine Flaute im Bett sorgen. Vor allem, wer viele Pornos schaut, hat einem Forschendenteam der belgischen Universität Antwerpen zufolge mehr Erektionsstörungen – und weniger Spaß am „normalen“ Sex. Diese Erkenntnis stammt aus einer internationalen Online-Umfrage, an der im Jahr 2020 über 3.200 Männer teilgenommen haben. Zwar handele es sich nicht um eine klinische Studie, räumte Studienleiter Professor Gunter De Win bei der Vorstellung der Ergebnisse auf einem Kongress der Europäischen Gesellschaft für Urologie (EAU) ein, dennoch sei der Zusammenhang signifikant.

Wichtig ist es, der Ursache auf den Grund zu gehen, denn eine ED ist nicht immer heil-, aber behandelbar. Das ist auch vor dem Hintergrund wichtig, dass langfristige, nicht behandelte Erektionsstörungen bei vielen Betroffenen zu einer depressiven Verstimmung bis hin zur Depression führen. Depressionen selbst sind wiederum eine mögliche Ursache für die mangelnde Stehkraft. Ein offenes Gespräch über Sexualität, Lebensstil und das soziale sowie partnerschaftliche Umfeld ist unerlässlich, da eben nicht nur körperliche Untersuchungen und Labordiagnostik zur Diagnose und darauf basierender Behandlung führen.

Penis als Frühwarnsystem?

Auch kann eine ED umgekehrt Hinweise auf eine noch unentdeckte Gefäßerkrankung (Arteriosklerose) geben – mit möglichen negativen Auswirkungen auf die Herzgesundheit. Stichwörter: Herzinfarkt und Schlaganfall. Im Rahmen der Kohortenstudie „Multi-Ethnic Study of Atherosclerosis“ (MESA) an der Johns Hopkins University in Baltimore wurde bei Patienten mit Potenzproblemen ein doppelt so hohes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse festgestellt wie bei beschwerdefreien Männern. Demnach könne eine ED als ein Alarmzeichen für eine mögliche Arteriosklerose gewertet werden, schreiben die Autorinnen und Autoren im Fachblatt „Circulation“. Die Forschenden fordern daher, dass Erektionsstörungen vermehrt als Risikofaktor zur Abschätzung des kardiovaskulären Risikos berücksichtigt werden – und auch Männer sich darüber im Klaren sein und bei Potenzproblemen eine ärztliche Praxis aufsuchen sollten. Allerdings, das brachte eine Umfrage der Deutschen Gesellschaft für Mann und Gesundheit (DGMG) aus dem Jahr 2018 zutage, ist dieser Zusammenhang nur 16 Prozent der Männer zwischen 18 und 70 Jahren in Deutschland bekannt. Zu oft würden erste Probleme ignoriert. Die meisten Männer gingen für gewöhnlich erst dann zur ärtzlichen Abklärung, wenn die anfangs schleichend, dann aber immer schneller sichtbar werdenden Erektionsstörungen die Sexualität und die Paarbeziehung empfindlich zu stören beginnen, heißt es in der DGMG-Pressemitteilung.

Potenzmittel nicht immer erste Wahl

Die gute Nachricht: Das Spektrum der Behandlungsmöglichkeiten von Erektionsstörungen hat sich dank intensiven Forschungen deutlich erweitert. Welches Verfahren – psychologisch, medikamentös, apparativ oder operativ – das richtige ist, ist immer eine individuelle Entscheidung, die auf einer ausführlichen ärztlichen Beratung, bei der mögliche Nebenwirkungen und Risiken erläutert werden, basieren. In vielen Fällen genügt die Einnahme von sogenannten Phosphodiesterase-5-Hemmern, kurz PDE-5-Hemmer, welche die Durchblutung des Penis steigern. Diese Potenzmittel beheben allerdings nicht die Ursache des Problems, sind nicht frei von Nebenwirkungen und können nicht von allen Patienten eingenommen werden. Daher sollte die behandelnde Person stets Alternativen aufzeigen, wie beispielweise die Schwellkörperautoinjektion (SKAT), bei der sich der Betroffene vor dem Geschlechtsverkehr gefäßerweiternde Wirkstoffe in den Schwellkörper des Penis spritzt, Vakuumpumpen oder die Injektion von körpereigenen Stammzellen, die im Penis die Regeneration von Gewebe, Blutgefäßen und Nervenzellen anregen sollen.

Grafik: Sexuelle Probleme bei Männern nach Alter und Problem

Quellen:
Universitätsklinikum Münster: „Potenz-App“ auf Rezept
Stiftung Männergesundheit: Erektile Dysfunktion 
Internisten im Netz: Was ist eine erektile Dysfunktion?
www.impotenz-selbsthilfe.de

Zahl zum Staunen

322 Millionen – So viele Männer sollen im Jahr 2025 weltweit von einer erektilen Dysfunktion betroffen sein.

Quelle: Ayta IA et al.: The likely worldwide increase in erectile dysfunction between 1995 and 2025
and some possible policy consequences. BJU Int. 1999 Jul;84(1):50-6

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